"Aus meiner Phantasie"

Illusionen

(Berlin, 14. Mai 1968)

 

Die Sonne hell durch's Fenster scheint,
im Wasser spiegelt das Licht.
Die Blätter hüpfen im Winde,
die Wolken zieh'n vorbei –
doch mich lassen sie hier zurück.
Schön wär's mitzuziehen,
hoch droben mitzufliegen.
So zu sein wie auch sie.
Wie langsam sie doch ziehen – ich
könnte sie erreichen,
wenn ich wollt'. Nur zu weit sie sind;
weit, weit hinten sie geh'n.
Auf Wiederseh'n.

Seht dort drüben über den Zaun
das stolze Rößlein an.
Wie stolz es steht, sein Kopf nun hebt,
die Nüstern bläht – wie schön.
Auf ihm könnt' ich reiten zur Schlacht,
zermalme die Haufen;
treib' Gesellen in die Enge.
Und es reitet mit mir,
das edle Blut, und kämpft mit Mut.
Alle jauchzen mir zu.
Seht, da springt es. Könnt' es fangen.
Oh, wie die Hufen geh'n.
Auf Wiederseh'n.

Oh, wie muss ich mich hier plagen.
Wie schwer der Hammer geht
und wie langsam der Besen fegt.
Die Säge drückt – nicht schön.
Wenn ich nur Meister werden könnt',
ich wär schon der rechte.
Dann könnte ich hier befehlen,
tadeln, drohen, schlagen.
Über die Heide mit meinem
Roß dann geh'n. – Wie schade.
Die Säge ruht, der Hammer steht.
Der Meister kommt plötzlich.
Auf Wiederseh'n.

 

© 1969 johannes stephan wrobel - stephan castellio

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