"Euthanasie"- und NS-Krankenmorde (in Vorbereitung)


Entnommen dem Vorwort
Salzburg
Wahrnehmung durch andere NS-Opfer
Literatur



Entnommen dem Vorwort:

Stand 29.09.2021 | aktualisiert 25.03.2023 (refresh )

Notiz vom 15.08.2020:
Beim "Natur­schlendern" an der ☞ Saalach war ich heute an der ☞ Hammerauer Brücke auf österreichischer Seite nach ☞ Wals abgebogen und finde dort an der Aussenwand der Kirche (Foto links) nicht nur einen ☞ Römer­stein, sondern zu meiner Über­raschung eine Gedenk­tafel für ein "Euthanasie"-Opfer der National­sozialisten – das erste Mal in unserer Gegend (abge­sehen jetzt von Salz­burgs ☞ "Stolper­steinen" für die unterschiedlichen NS-Opferkategorien, darunter auch solche):


Maria Huber (geb. 1904) "ermordet im Mai 1941 in der NS-Tötungsanstalt Hartheim"

(Foto rechts, zum Vergrößern anklicken).


Ein unscheinbares, doch bei­spiel­haftes Stück Erinnerungs­kultur der Gemeinde Wals-Siezenheim, die sich der Realität mit Würde stellt.

Der Anlass ist ein Grund mehr für mich, hier die Eröffnung der Rubrik ☞ "Erinnerungs­kultur" (Home) vorzuziehen, auch wenn sie noch auf die redak­tionelle Komplet­tierung der Artikel über lokale NS-Opfer­gruppen warten muß, zumindest ist inzwischen schon mal die Übersicht (Einführung) und der Artikel "Sinti und Roma" online gestartet.

Vorab eine Zusammen­fassung, angestoßen durch die ge­fundene Gedenk­tafel in Wals, auf ein national­sozialistisches Staats­verbrechen in nicht allzu ferner Vergangenheit:

In der Zeit des National­sozialismus in Deutsch­land, Österreich und den besetzten/annek­tierten Gebieten fielen bis 1945 weit über 200.000 Menschen, die als "unwertes Leben" betrachtet wurden (Menschen mit Behin­derungen, Kranke und arbeits­unfähige KZ-Häftlinge), den "Kranken­morden" in Heil- und Pflege­anstalten sowie Konzen­trations­lagern zum Opfer. Das oben erwähnte Schloss Hartheim bei Linz, wo Frau Huber aus Wals ermordet wurde, gehörte zusammen mit Bernburg* und Sonnenstein zu besonderen Tötungs­anstalten während der NS-Diktatur. Wo verloren Menschen aus Freilassing und Um­gebung als Opfer der nationalsozialistischen "Euthanasie"- und Krankenmorde ihr Leben? Bernburg, Gaskammer. Foto: stephan wrobel freilassing, 2008In Hartheim wie Frau Huber aus Wals oder gehörten sie zu den mehr als 2.000 Patientinnen und Patienten, die zwischen 1940 und 1944 in der "Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar" (München) zu Tode kamen? Allein für Salzburg wird die Zahl von über 500 "Euthanasie"-Opfern genannt und eine Anzahl Namen im Internet gelistet. Darüber später insgesamt mehr hier, zusammen mit Fall­beispielen, in der Rubrik ☞ "Erinnerungs­kultur | 'Euthanasie'-Opfer - NS-Kranken­morde".

* Am 9. Oktober 2008 hielt ich in Bernburg, nach 12 Jahren Geschichts-, Gedenk- und Öffent­lichkeits­arbeit im In- und Ausland, mein letztes Referat, "'Wohin diese Transporte gingen, erfuhren wir nicht.' Eine Spuren­suche." In Bernburg befindet sich die "Gedenk­stätte für Opfer der NS-Euthanasie Bernburg in Sachsen-Anhalt".

Anläßlich meines Besuches in Bernburg besichtigte ich den authen­tischen Ort, die Räum­lichkeiten der ehemaligen NS-Tötungs­anstalt, ein­schließlich der Gas­kammer (Foto). Im November 2008 gab ich dann die damalige Gedenk- und Forschungs­arbeit in Verbindung mit einer NS-Opfergruppe und alle meine institutionellen Zu­gehörig­keiten freiwillig auf, zog von Selters/Taunus (Hessen) weg und begann auf der Schwäbischen Alb, ab 2011 in Ober­bayern, einen neuen, interes­santen und ausgefüllten Lebens­abschnitt, womit sich andere Teile der Homepage www.stephan-wrobel.de und meiner Webseiten beschäftigen.


Seit meiner "Entdeckung" der Gedenktafel für das NS-"Euthanasie"-Opfer Maria Huber in Wals-Siezenheim ist einige Zeit vergangen. Die Rubrik "Erinnerungskultur/Gedenken" (NS-Opfergruppen) befindet hier noch immer in der Vorbereitungsphase. Daher vorab Informationen aus dem "Opferverzeichnis Salzburg": Maria Huber wurde am 16. Juli 1904 in Wals (Österreich) geboren und am 21. Mai 1941 von der Landesheilanstalt Salzburg in die Tötungsanstalt auf Schloß Hartheim bei Linz verschleppt und dort 1941 ermordet (Q126-3). Weitere Informationen habe ich über sie gegenwärtig nicht zur Hand (wird angefragt). Maria Huber ist ein Beispiel für die vielen Opfer des Nationalsozialismus aus unserer Region, jenseits der Saalach.

Ebenso vorab das Zitat einer befragten Zeitzeugin aus Salzburg-Maxglan: "Was mit Juden, Zigeunern, geistig Behinderten oder auch Andersdenkenden passierte, war uns durchaus bekannt. So wohnte zum Beispiel im Parterre von Wehrgasse 13 eine Familie H. Der Vater von Frau H.* war geistig behindert und deswegen in der LNK [Landesnervenklinik Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 79, 5020 Salzburg]. Als Frau H. ihren Vater eines Tages besuchen wollte, kam sie gerade zurecht zum Abtransport der ganzen Abteilung in ein Todeslager bzw. eine Sonderanstalt. Die Kranken wehrten sich nach Kräften, schrien und weinten, da sie vermutlich ahnten, was mit ihnen passieren würde. Wenige Tage später erhielt die Familie die Verständigung über den Tod des Vaters" (Lauterbacher 1995, S. 11).

* Gemeint ist Hermann Hager (geb. 31.03.1910 in Salzburg), der bei seiner verwitweten Mutter in der Gemeinde Maxglan, seit 1935 ein Stadtteil von Salzburg, wohnte und im November 1933 stationär in der Landesheilanstalt Salzburg aufgenommen worden war. "Er befand sich unter den 82 Pfleglingen, die am 17. April 1941 nach Hartheim deportiert und dort ermordet wurden", recherierte der österreichische Historiker Gert Kerschbaumer für den in Salzburg verlegten "Stolperstein" für Hermann Hager.


Salzburg

Stand 13.06.2022

Vier in Salzburg und ein in Braunau am Inn geborenes "Euthanasie"-Opfer, allesamt Kinder, kamen in der Heilanstalt Eglfing-Haar bei München zu Tode:

Der Dreijährige Johann Belousov (* 16.10.1938, + 16.08.1941, Q126); Stolperstein.

Säugling Georgine Hübner (* 20.11.1942, † 15.05.1943, Q126).

Die neunjährige Hildegard Lohmann (*3.04.1934, † 19.03.1943, Q126); Stolperstein.

Säugling Baldur Dagobert Tüchler (* 28.12.1941, † 28.10.1942, Q126).

Alfred Weingartner (* 17.01.1930 in Braunau am Inn, † 21.06.1942, Q126); Stolperstein.

Gesamtzahl. In Arbeit ...



Wahrnehmung durch andere NS-Opfer

Otto Skritek erinnert sich als Häftling an den März 1941 im KZ Dachau:

"Im März 1941 wurden erstmals kranke und invalide Kameraden von den SS-Ärzten ausgesucht und ein Transport zusammengestellt. Im Lager wurde davon gesprochen, die Ausgesuchten würden in ein Invalidenlager ohne oder mit leichter Arbeit überstellt. Niemand ahnte damals, welche Brutalität die Nazi im Schilde hatten. Die ausgesuchten Invaliden wurden nach einigen Wochen auf Lastautos weggeführt. Ihre Kleider blieben in Dachau, das war auffallend. Nach ein, zwei Wochen wussten wir, dass diese Kameraden ermordet worden waren, denn jeden Tag wurden Kleider an die Angehörigen zurückgeschickt, was sonst nur bei Todesfällen geschah. Erst später sickerte die Nachricht durch, dass sie in der Nähe von Dachau vergast worden waren. Es handelte sich um die Euthanasie-Aktion, die erste Gaskammer des "Dritten Reiches", in Schloss Hartheim in Oberösterreich" (#144).



Viele Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde waren gleichzeitig aus politischen, religiösen, rassistischen oder anderen Gründen Verfolgte. Dazu zählen einige von den aus religiösen Gründen unter dem Nationalsozialismus bedrängten Zeugen Jehovas (Bibelforscher), zum Beispiel Gustav Haase aus Hildesheim, der am 25.11.1943 in der Hildesheimer Heil- und Pflegeanstalt stirbt. Er wird auf einer Gedenktafel am Magdalenenhof in Hildesheim, Mühlenstraße, mit anderen Zwangseingewiesenen, die dort ums Leben kamen, aufgeführt (Jürgens 2018, S. 90, 111.)

Literatur

Michael von Cranach, Annette Eberle, Gerrit Hohendorf, Sibylle von Tiedemann (Hg.): Gedenkbuch für die Münchner Opfer der nationalsozialistischen "Euthanasie"-Morde. NS-Dokumentationszentrum München und Bezirk Oberbayern. Göttingen 2018, https://d-nb.info/1148139230 (dnb).

Im Gedenkbuch für die Münchner Opfer der nationalsozialistischen "Euthanasie"-Morde geht es um Namen, Lebensdaten und Lebensgeschichten von Münchner Bürgern, die Opfer der "Euthanasie"-Aktion wurden (Verlagsmeldung). Klappentext: "Zwischen 1939 und 1945 wurden im Rahmen der nationalsozialistischen 'Euthanasie'-Aktionen etwa 300.000 Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen ermordet, darunter über 2000 Münchner Bürger. Die Arbeitsgruppe 'Psychiatrie und Fürsorge im Nationalsozialismus in München' erarbeitete in den Jahren 2011 bis 2017 zusammen mit dem NS-Dokumentationszentrum München und dem Bezirk Oberbayern ein Gedenkbuch für die Münchner Opfer der nationalsozialistischen Patientenmorde. Ziel des Buches ist es, die Opfer durch Nennung ihrer Namen und Lebenbsdaten zu würdigen und sie in das kollektive Gedächtnis der Stadt München zurückzuholen. Eine Reihe individueller Lebensgeschichten, die zum Teil von den Angehörigen der ermordeten Menschen geschrieben wurden, erzählt vom Leben und dem Tod der betroffenen Menschen. Einleitend findet sich eine ausführliche Beschreibung der historischen Zusammenhänge und der Nachwirkungen der der nationalsozialistischen 'Euthanasie'-Morde in München und Oberbayern."